
Arbeitskräfte. KI statt Mitarbeiter?
Kluge Köpfe versus Technologie – braucht die Landwirtschaft 2040 noch Herdenmanager, Pflanzenbauer und Betriebsleiter?
Mehr als manch andere Branche nutzt die Landwirtschaft digitale Technologien und Künstliche Intelligenz (KI), um effizienter zu werden. »Die Landwirtschaft steht vor der gewaltigen Aufgabe, eine stetig wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, trotz der Tatsache, dass die dafür verfügbare Fläche begrenzt ist. Zusätzlich sieht sie sich mit den Folgen des Klimawandels und zunehmend mit dem Problem des Arbeitskräftemangels konfrontiert«, sagt Felix Strohtmeyer von der Personalagentur farmconnect in seiner Keynote beim »Netzwerk Zukunft« der Jungen DLG in Bernburg. Ein wesentlicher Schlüssel zur Bewältigung dieser vielfältigen Herausforderungen liegt in der Steigerung der Effizienz. »Auch der Mangel an Arbeitskräften treibt die Notwendigkeit voran, innovative Lösungen zu finden, um die Produktivität zu steigern und gleichzeitig die Belastungen für die vorhandenen Arbeitskräfte zu reduzieren«, betont Strothmeyer.
Die Kombination von Technik und menschlichem Fachwissen sorgt für mehr Effizienz. Während KI in der Landwirtschaft nicht nur zur Effizienzsteigerung beiträgt, sondern auch einen entscheidenden Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit darstellt, bleibt dennoch das Erfahrungswissen und das tier- bzw. pflanzenbauliche Know-how der Landwirte unersetzlich. Dieses Wissen ist notwendig, um die Empfehlungen der KI zu überprüfen und sicherzustellen, dass die angewandten Technologien den spezifischen Gegebenheiten gerecht werden. »Die Kombination aus modernster Technik und menschlichem Fachwissen ermöglicht es, den Herausforderungen einer sich verändernden Welt effektiver zu begegnen und verspricht eine Zukunft, in der Technologie und traditionelle Landwirtschaft Hand in Hand gehen«, sagt Strothmeyer. Klug eingesetzt hilft KI, die Effizienz und Qualität von Prozessen, Produkten und Dienstleistungen zu verbessern. Natürlicher Intelligenz bleibt vorbehalten, unternehmerische Tatkraft zu entfalten.
Fast jeder zweite Landwirt beschäftigt sich mit KI
Umfrage. Künstliche Intelligenz (KI) hat längst Einzug in die Landwirtschaft gehalten. Fast die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland (47 %) beschäftigt sich derzeit mit den Einsatzmöglichkeiten von KI. Etwa jeder zehnte Betrieb (9 %) setzt KI ein, weitere 38 % planen oder diskutieren den Einsatz. Je größer der Betrieb, desto intensiver ist die Nutzung: Während nur 27 % der Betriebe mit 20 bis 49 ha KI nutzen, planen oder diskutieren, sind es bei den Betrieben mit 50 bis 99 ha 38 % und bei den Großbetrieben ab 99 ha 52 %. Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter 500 landwirtschaftlichen Betrieben, die der Digitalverband Bitkom und die DLG durchgeführt haben.
Das größte Potential für KI sehen die Landwirte bei Klima- und Wettervorhersagen, dem Pflanzenschutz und in der Büroarbeit. 54 % der Betriebe, die sich mit KI beschäftigen und sie schon nutzen, tun das für Klima- und Wettervorhersagen. 36 % der Landwirte sehen Potential bei Marktanalysen oder Preisprognosen und jeweils 28 % bei der Ernte- und Produktionsplanung. 46 % der Betriebe, die KI nutzen, wollen den Pflanzenschutz verbessern. Aber auch außerhalb von Stall und Feld wird KI geplant, diskutiert oder eingesetzt: 39 % erhoffen sich eine Entlastung bei der täglichen Büroarbeit.
Zeitersparnis und höhere Effizienz durch digitale Technologien. Eine große Mehrheit der Landwirte (79 %) sieht die Digitalisierung als Chance für den eigenen Betrieb. 15 % sehen sie als Risiko, für 6 % hat die Digitalisierung keinen Einfluss. Die größten Vorteile sind laut Umfrage Zeitersparnis (69 %), höhere Effizienz in der Produktion (61 %) und körperliche Entlastung (57 %).
Digitalisierung ist längst keine Zukunftsmusik mehr. Ob Sensorik, Robotik oder digitale Ackerschlagkartei – ihr Einsatz hat in den vergangenen zwei Jahren zugenommen: Insgesamt nutzen 90 % der Betriebe mindestens eine der zahlreichen digitalen Lösungen. Am weitesten verbreitet sind GPS-gesteuerte Maschinen (69 %). Auch digitale Ackerschlagkarteien, Kuh- oder Sauenplaner sind mit 68 % relativ weit verbreitet.
Hürden in der Praxis. Trotz einiger Potentiale gibt es noch viel Nachholbedarf: 51 % der Befragten zählen eine unzureichende Internetversorgung zu den größten Hemmnissen. Es folgen mit jeweils 49 % die Sorge um den Verlust der Datenhoheit und die hohe Komplexität digitaler Systeme. 47 % sorgen sich um IT-Sicherheit und 41 % sehen mangelnde Digitalkompetenzen als Hemmnis.
Nicht zuletzt müssen neue Technologien auch finanziert werden. Drei Viertel der Landwirte sehen die meist hohen Investitionskosten als Hemmnis. Auch die Sorge vor mehr Bürokratie und einer unzureichenden Standardisierung von Schnittstellen und der Vernetzung von Systemen schwingt mit, wenn es um Digitalisierung und KI geht.
Das Berufsbild des Landwirts wird sich verändern. Die heute schon wahrnehmbaren Veränderungen sind in erster Linie auf Automatisierung und Vernetzung zurückzuführen. Das Potential von KI geht aber deutlich darüber hinaus: Ihre fortschreitende Einführung in den landwirtschaftlichen Unternehmen wird den allermeisten Prognosen zufolge einen tiefgreifenden Wandel bewirken. »Der Befürchtung, dass bestimmte Tätigkeiten künftig nicht mehr von Menschen erledigt werden und damit Arbeitsplätze wegfallen, weil autonome Technik und KI-gestützte Systeme bestimmte Aufgaben besser, effizienter und damit kostengünstiger erledigen können, steht die Hoffnung gegenüber, dass – wie bei vorangegangenen technologiegetriebenen Transformationen – neue Tätigkeitsfelder und damit eine neue Qualität von Arbeit entstehen werden«, sagt Strothmeyer.
Denn wenn wir ehrlich miteinander sind, sind gegenwärtig die Erwartungen an die wirtschaftliche Nutzung von KI deutlich größer als ihre tatsächliche Verbreitung. Ein schneller, disruptiver Wandel, wie er oft befürchtet wird, zeichnet sich nicht ab, eher die Fortsetzung der bisher langsamen und schrittweisen Einführung für ganz bestimmte Anwendungsfälle. Eine Rolle spielen hier sicher Kosten-Nutzen-Abwägungen: Dem möglichen Innovations- und Einsparpotential stehen die für manche Anwendungsgebiete noch sehr hohen Kosten gegenüber.

Schulung und Weiterbildung. Moderne landwirtschaftliche Maschinen, Sensorsysteme, Spektrometer, Drohnen und Ähnliches erzeugen riesige Datenmengen. KI kann uns dabei helfen, diese Daten automatisiert zu verarbeiten, miteinander zu vernetzen und Muster zu erkennen, beziehungsweise Modelle zu erstellen, die Landwirten als Entscheidungshilfe für ihr tägliches Geschäft dienen können. »Wichtig ist jedoch, dass die Landwirte die Vorteile von KI erkennen und in dieser Technik gut geschult sind«, sagt Strothmeyer. Hier ist ein Austausch untereinander und mit Beratern und Forschungseinrichtungen wertvoll.
Kurzum: Die Integration von KI erfordert Flexibilität und Agilität von Unternehmen und ihren Mitarbeitern. Die Fähigkeit, sich schnell an Veränderungen anzupassen und auf neue Anforderungen zu reagieren, ist entscheidend, um wettbewerbsfähig zu bleiben.