
Ackerbau. Die Mafia sucht neue Geschäfte
Schutzgelderpressungen, Drogenhandel oder illegale Müllentsorgung sind klassische Geschäftsfelder italienischer Verbrechersyndikate, landläufig als Mafia bezeichnet. Mit der Agrar und Ernährungswirtschaft bauen diese nun ein relativ neues Betätigungsfeld aus.
In den letzten zehn Jahren habe sich das Geschäftsvolumen in diesem Bereich auf 25 Mrd. € fast verdoppelt, schreiben der Landwirtschaftsverband Coldiretti und das private Forschungsinstitut Eurispes in ihrem Agromafia- Report. Coldiretti unterhält eine eigene Beobachtungsstelle für Kriminalität in der Land- und Ernährungswirtschaft.
Die kriminellen Aktivitäten im Agrarbereich sind seit jeher vielfältig. Traditionelle Anknüpfungspunkte sind das Abgreifen öffentlicher Gelder und die Kontrolle von Märkten und Verträgen. Eine gute Liquidität ermöglicht zunehmend den Aufkauf ganzer Betriebe als spezielle Form des land grabbing, was die Kontrolle vollständiger Produktionsketten ermöglicht. Schon vor einigen Jahren waren gefälschte Bioprodukte im Gespräch, die konventionell etwa in Rumänien erzeugt und mit einem italienischen Etikett weiterverkauft wurden. Oder es werden nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel
eingesetzt. Wein, Speiseöl, Reis und Futtermittel sollen besonders betroffene Produkte sein. Ein Gesetz, das illegalen Aktivitäten im Agrarbereich einen Riegel vorschieben soll und vom Bauernverband vehement gefordert wird, hängt politisch seit zehn Jahren fest.
Ein neuer Schwerpunkt dieser Schattenwirtschaft ist die Ausbeutung von Landarbeitern und Erntehelfern. Jeder weiß oder kann leicht beobachten, in welchem Umfang Flüchtlinge ohne Aufenthaltsstatus gerade in Süditalien illegal beschäftigt werden. Eine für die landwirtschaftlichen Betriebe risikoärmere Variante geht so: Unternehmen ohne eigene Flächen lassen sich legal als Genossenschaft registrieren und vermitteln Saisonkräfte vornehmlich aus Indien oder Bangladesch als Mitglieder zu Dumpinglöhnen an die Betriebe. Als Mitglieder von Genossenschaften werden sie von diesen bezahlt und nicht direkt von den Betrieben, die formal »von nichts wissen«.
Beunruhigend ist der Hinweis in diesem Bericht, dass solche Aktivitäten auch in anderen EU-Ländern vorkommen sollen. Genannt werden Deutschland, Österreich, Spanien, die Slowakei, Belgien und die Niederlande. Dort würden sie aber weder systematisch erfasst noch überwacht. Auch chinesische Mafiaorganisationen sollen zunehmend Interesse an Land und Logistik in Europa haben.