Handelskrieg. »Inflation in den USA, Rezession bei uns«
Der Zollkrieg, den Präsident Trump vom Zaun gebrochen hat, wirbelt die Märkte durcheinander. Wir haben Jörg Krämer gefragt, mit welchen Konsequenzen wir rechnen müssen.
Herr Krämer, Präsident Trump will einen Zusatzzoll von rund 20 % für EU-Waren, der bis Juli nun aber aufgeschoben wird. Für China sind es ab sofort über 100 %. Gibt es dafür Beispiele in der Wirtschaftsgeschichte?
Zollerhöhungen in dieser Größenordnung sind in der US-Wirtschaftsgeschichte beispiellos. Zwar wurde auch Anfang der 1930 er Jahre der Zollsatz auf ein ähnliches Niveau angehoben. Jedoch war der Anstieg von etwa 14 auf 20 % geringer als der aktuelle von rund 3 auf 20 %.
Ist die Situation heute denn überhaupt mit der der 1930 er Jahre vergleichbar? Damals spielten weder China noch andere asiatische Länder eine große Rolle.
Nicht ganz. Solch ein Zollschock belastet zweifellos die Weltwirtschaft. Allerdings fiel die Zollerhöhung in den 1930 er Jahren in eine Weltwirtschaftskrise, die bereits mit dem Schwarzen Freitag von 1929 begonnen hatte. Und damals waren die Zentralbanken im Goldstandard gefangen. Die Knappheit an Gold erlaubte es ihnen nicht, die krisenbedingte Mehrnachfrage nach Liquidität zu befriedigen. Deshalb gingen damals rund ein Drittel der US-Banken in den Konkurs. Im heutigen Papiergeldsystem gibt es das Problem nicht. Zentralbanken können Liquidität per Knopfdruck schaffen und Krise so wirksam bekämpfen. Insofern ist heute die Ausgangslage viel günstiger.
Wen treffen die Zölle in Deutschland außer der Automobilindustrie?
Generell treffen die Zollerhöhungen jedes Unternehmen, das in die USA exportiert. Zu den wichtigsten Exportprodukten zählen Autos, Maschinen sowie chemische und pharmazeutische Produkte. Glücklicherweise sind derzeit die Sektoren Pharma komplett und Chemie teilweise von Zollerhöhungen verschont geblieben – was angesichts der erratischen Politik Trumps allerdings nicht so bleiben muss.
Für uns Landwirte wichtig: Sind verarbeitete Lebensmittel oder Rohwaren wie Fleisch oder Käse auch betroffen?
Ja. Alle Lebensmittel sind betroffen.
Was hat das für Folgen für den Markt? Schließlich ist die EU ein wichtiger Exporteur von Lebenmitteln.
Ein Teil der europäischen Lebensmittelexporte dürfte auch weiterhin in die USA exportiert werden. Denn für manche Produkte werden die Amerikaner Zölle wohl hinnehmen. Ein anderer Teil kann auf andere Märkte umgelenkt werden. Klar ist aber auch: Wenn die Zölle Bestand haben, werden manche Exporte wegfallen. Das gilt auch für Autos, Maschinen und Spezialprodukte. Allerdings dürfen wir nicht glauben, dass ab morgen keine Waren mehr in die USA gehen. Auf viele EU-Produkte können die USA mangels ausreichender Eigenproduktion gar nicht verzichten, jedenfalls nicht kurzfristig. Da geht nicht kurzfristig eine Türe zu.
Wenn wir weiter exportieren können, dann tun uns die Zölle in den USA doch gar nicht weh, jedenfalls nicht kurzfristig?
Bei Waren, für die den Amerikanern Alternativen fehlen, tun uns die Zölle erst mal nicht weh. Aber langfristig werden die Amerikaner dazulernen und ihr eigenes Angebot weiterentwickeln. Entweder senken die Europäer dann ihre Preise, um die Zölle auszugleichen, was auf ihre Gewinne geht. Oder sie stellen den Kunden die höheren Zölle in Rechnung und verlieren Kunden und damit Geschäft. Langfristig tun uns die Zölle daher durchaus weh.
Würden Sie Gegenzölle gegen die USA und – falls China seine Exporte in die EU umlenkt – auch Schutzzölle gegen China anraten?
Ein klares Nein. Die EU sollte auf eine Verhandlungslösung setzen. Allerdings könnten Gegenzölle durchaus als Drohkulisse aufgebaut werden.
Was bedeutet dies alles für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland?
Der außenwirtschaftliche Gegenwind nimmt erheblich zu, was die konjunkturelle Flaute hierzulande verlängert. Wenn Nachverhandlungen mit Trump zu keinerlei dauerhafter Senkung der Zollerhöhungen führen, ist auch eine Rezession in Deutschland nicht ausgeschlossen.
Und was heißt das für die USA? Dort warnen Wirtschaftswissenschaftler inzwischen ja auch vor einem massiven Einbruch der Wirtschaft.
Nicht zu Unrecht. Denn anders als von Trump kolportiert, werden die amerikanischen Bürger einen großen Teil der Zeche zahlen: Die Inflation wird deutlich steigen. Die Konsumentenstimmung ist bereits angeschlagen und die Unternehmen dürften ihre Investitionen zurückstellen, was das US-Wachstum belasten wird.
Nun ist der Zustand der US-Wirtschaft jenseits aller Zölle nicht ganz unwichtig für unsere Exporte dorthin ...
... ja, wenn in den USA die Kaufkraft sinkt, betrifft das auch die Lebensmittelexporte der EU, die ja vor allem aus hochwertigen Verarbeitungsprodukten wie Weinen oder Spirituosen bestehen.
Kann man dem Zollkrieg der USA eigentlich auch etwas Positives abgewinnen?
Nein. Die Kosten eines Zollkriegs überwiegen jeglichen Nutzen. In der Vergangenheit haben Länder durch Zölle immer verloren.