
Betriebsführung. Konflikte: Was, wenn's mal kracht?
Der Ausweg aus vielen Konflikten klingt einfach: aufeinander zugehen und miteinander reden. Manchmal kann aber auch ein reinigendes Gewitter helfen. Rolf Leicher zeigt, wie Sie eine konstruktive Streitkultur schaffen.
Das Arbeiten im Familienbetrieb ist nicht immer leicht. Wenn Vater, Mutter, Söhne und Töchter gemeinsam im Unternehmen an einem Strang ziehen müssen, entstehen hin und wieder Reibungspunkte. Gibt es Streit, kann dieser durchaus negativen Einfluss auf den Betrieb haben. Im schlimmsten Fall hängt der Familiensegen dauerhaft schief. Gelegentliche Spannungen – ist das nicht völlig normal? Ist ständige Harmonie überhaupt realistisch? Friede, Freude, Eierkuchen? Streichelzoo und Schmusekurs?
Streitigkeiten kommen überall vor
Deshalb ist es umso wichtiger zu wissen, wie die Beteiligten damit umgehen sollen. Damit der persönliche Zoff gar nicht erst zur Zerreißprobe für das Unternehmen wird, sollten gerade Familienbetriebe einige Dinge beachten. Die wichtigste Regel: Mitarbeiter aus dem Streit raus halten. Diese einfache wie klare Regel sollten Sie möglichst immer beachten. Werden Streitigkeiten vor den Mitarbeitern ausgetragen, führt das zum einen zu Loyalitätskonflikten bei den Angestellten, und zum anderen hat das Verhalten des Chefs auch einen Modellcharakter. Kurz gesagt: Wie sich der Betriebsleiter benimmt, so benehmen sich auch die Mitarbeiter.
Wie lässt sich die Streitkultur also verbessern? Grundsätzlich haben die Parteien auf zwei Ebenen miteinander zu tun: Familie und Arbeit. Deshalb ist es enorm wichtig, sich klar zu machen, auf welcher Konfliktebene man sich gerade befindet.Denn: Das Verhalten in der Familie ist nicht automatisch das richtige für den Betrieb. Es gibt klare Unterschiede, ob Sie als Vater oder als Chef zu Ihrem Sohn sprechen. Eine 100%ige Trennung ist natürlich nicht möglich. Zudem werden Themen häufig mit an den heimischen Esstisch genommen und dort besprochen.
So viel Nähe und Vertrautheit erzeugt natürlich auch Direktheit. Abweichende Meinungen werden zwischen Familienmitgliedern unverblümter gesagt, als das unter Kollegen der Fall ist, manchmal mit der Folge, dass sich eine Seite gekränkt, übergangen, vor den Kopf gestoßen fühlt. Nicht immer lässt sich dies objektivieren und ist es schwer, eine Sache aus mehreren Blickwinkeln zu betrachten, die Sache von der Botschaft zu trennen.
Richtig miteinander zu streiten ist eine Kunst. Das muss gelernt werden.
Für die Streithähne geht es darum, eine Diskussion zu gewinnen, sich durchzusetzen. Jeder kämpft um Anerkennung seiner Meinung. Die Argumentation des Gegenübers wird negativ bewertet – es kommt zur Kritik, die im Konflikt endet. Dann kommen auch ältere Streitthemen immer wieder hoch. Jeder sucht für die eigene Position Unterstützung bei anderen Familienmitgliedern oder auch Mitarbeitern.
Manchmal hilft ein reinigendes Donnerwetter. Dabei kann es zu gegenseitigen Verletzungen kommen, die ein sehr langes Verfallsdatum haben. Wird ein Konflikt jedoch verschleppt oder unterdrückt, entsteht er später wieder mit neuen Themen, oft in der gleichen Rollenverteilung »Täter« und »Opfer«.
Eigentlich ist jeder um Einigung bemüht und besonders in der Familie will man den Konflikt vermeiden. Aber nur unter der Voraussetzung, dass der andere nachgibt! Durch diese Bedingung wird die Zielsetzung blockiert, die Beziehungen bleiben gestört, der Konflikt ist nicht gelöst.
So lässt sich Krach vermeiden
Es kommt auf die Gesprächsführung an. Zwischen der Ich- und der Du-Botschaft besteht ein deutlicher Unterschied. Die Du-Botschaft wirkt im Konfliktgespräch persönlich, vorwurfsvoll, destruktiv: »Du siehst das falsch …, Deine Argumente stimmen nicht …, Du darfst nicht …, Du musst doch einsehen, dass …, Dir fehlt die Erfahrung …« Die Ich-Botschaft hingegen wirkt vorwurfsfrei, reizt nicht zum Widerspruch und wird eher angenommen: »Ich habe festgestellt …, Mir fällt auf …, Ich bin überzeugt, dass …« Auch die Erwartungen lassen sich in der Ich-Botschaft konstruktiv formulieren: »Ich wünsche mir …, Ich erwarte, dass Du …, Ich bitte Dich dringend …«
Wird eine Meinung abgelehnt, fühlt sich der Betreffende abgewertet, er wird sich verteidigen. Durch negative Bewertungen verstärkt sich ein Konflikt. Bewährt hat es sich, eine andere Meinung zunächst zu hinterfragen und nicht gleich mit der eigenen aufzutrumpfen. In der Mediation heißt es: Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung, allerdings keinen Anspruch darauf, dass andere sie teilen.

Wie man Konsens erreicht. Den Konflikt früh zu erkennen und schnell zu einem Gespräch zu finden, erleichtert grundsätzlich die möglichen Lösungswege. Alles steht unter dem Ziel: Konsens erreichen, das Miteinander wieder herstellen, ein »Wir-Gefühl« anstreben.
Zur Bewältigung von Konflikten: Jeder hört sich die Meinung des anderen an, ohne dabei seine eigenen Interessen aufzugeben. Andere Meinungen werden nicht gleich bewertet, man sucht erst die positiven Aspekte. Damit der Zusammenhalt wieder hergestellt wird, ist jeder bereit, Entgegenkommen zu zeigen und nicht stur auf seiner Position zu beharren. Ein Kompromiss, der als Ergebnis registriert und ausdrücklich anerkannt wird, ist oft ein guter Weg. Damit geht man auf den anderen zu, ohne seine eigene Meinung voll aufzugeben.
Ungelöste Konflikte rufen neuen Streit hervor. Ärger, der im Konflikt steckt, wirkt sehr nachhaltig. Damit man dem Ärger nicht völlig ausgeliefert ist, muss man ihn früh erkennen und sofort darauf reagieren. Laufen die Gefühle auf Hochtouren, wird ein sachorientiertes Gespräch kaum möglich – das Thema sollte vertagt werden. Wer sich ärgert, entwickelt viel Energie, die leider nicht produktiv genutzt wird. Viel besser wäre es, diese Energie für die Suche nach einer Lösung einzusetzen, anstatt für die Verteilung von Schuld.
Allerspätestens wenn ein Streit Zeit, Energie und vielleicht sogar schon Geld raubt, sollten Sie sich mit der Bewältigung auseinandersetzen. Denn: Aus unbearbeiteten Konflikten entstehen immer neue Auseinandersetzungen. Um eine solche Entwicklung und Streit im Familienbetrieb erst gar nicht entstehen zu lassen, sind eine frühzeitige Vorbeugung und regelmäßige Selbstkontrolle enorm wichtig.
Streitschlichter einschalten. Kommt es doch zum Streit, sollten die betroffenen Personen zunächst eine sachliche Aussprache untereinander suchen. Hilft das nicht, kann ein externer Streitschlichter eingeschaltet werden. Allerdings muss dieser konfliktgeschult sein. Führt auch das nicht zu einer Versöhnung, weil die Fronten derart verhärtet sind, hilft nur noch eine Mediation.
Kann ein Mediator helfen? Geht es um persönliche Beziehungen, Befindlichkeiten und Kommunikationsprobleme, ist der Einsatz eines Mediators hilfreich. Er legt die Spielregeln fest und achtet auf deren Einhaltung. Rechtliche Fragen sind nicht seine Aufgabe, ebenso Fragen zur Finanzierung. Er ist vielmehr zuständig für den konstruktiven Umgang mit Meinungsdifferenzen und vermittelt bei Streitigkeiten zwischen den Kontrahenten. Als neutraler Dritter fördert er kreative Lösungen, die von allen voll und ganz oder als Kompromiss und Teillösung akzeptiert werden.
Nach den Regeln der Mediation darf in einer noch so hitzigen Diskussion niemand sein Gesicht verlieren. Jedes Familienmitglied muss recht bekommen, eine Win-Win-Situation wird angestrebt. Der Berater hat eine Mediatorenausbildung und bestenfalls umfassende Erfahrungen bei Streitereien im Familienbetrieb. Oft wird die Mediation von den Konfliktparteien leider schon im Vorfeld abgelehnt. Ihr Einsatz scheitert nicht nur an den Kosten, sondern daran, dass die Beteiligten nicht damit einverstanden sind, dass der Mediator als Vermittler auftritt. Es fehlt unter Landwirten immer noch an ausreichenden Informationen über den Effekt von Mediationsverfahren.
Generationenkonflikte als Pulverfass
Hofnachfolge. Die weichende Generation möchte mit aller Kraft an Traditionen festhalten, die junge will für frischen Wind sorgen. Diskussionen sind da vorprogrammiert. Und nicht selten kommt es vor, dass eine zunächst sichere Hofnachfolge daran scheitert. Dabei bergen diese Konflikte eine große Chance – denn diese intensive Aufarbeitung aktueller und früherer Prozesse ermöglicht es, neue Ideen und Strukturen für das Unternehmen und seine Ausrichtung zu finden.
Natürlich gelingt dies nur, wenn jung und alt an einem Strang ziehen. Ein geschulter Berater oder Mediator kann hier eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Der Blick von außen eröffnet neue Sichtweisen und hat oftmals eine schlichtende Wirkung. Dabei braucht es Fingerspitzengefühl und Erfahrung, damit die Hofnachfolge am Ende erfolgreich wird und es nicht zu Frustrationen auf beiden Seiten kommt.