Windkraft. Was ist die Anlage wert?
Der Ausbau bei Windkraft nimmt Fahrt auf. So hat die wachsende Zahl an Genehmigungen dazu geführt, dass die jüngste Ausschreibung fast 1,5-fach überzeichnet war. Reinhard Mantau zeigt, wie sich die Investition rechnet.
Die Bundesregierung hat mit dem Wind-an-Land-Gesetz (WaLG) den Ausbau der Windenergie in Deutschland beschleunigt. In zwei Stufen sollen zunächst bis 2027 1,4 % und dann bis 2032 insgesamt 2 % der Landesfläche für Windenergie bereitgestellt werden. Außerdem sollen 2030 80 % des Bruttostromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien stammen. Dafür werden in den Ausschreibungsverfahren der Bundesnetzagentur bis 2028 jährlich 10 GW in den Markt gegeben. Für Sie als Landwirte und Flächeneigentümer ergeben sich aus diesen ehrgeizigen Ausbauzielen lukrative Möglichkeiten zur Nutzung Ihrer Flächen.
Beschleunigte Verfahren
Das Planungsbeschleunigungspaket II, auch bekannt als »Sommerpaket«, wurde im Juni 2022 von der Bundesregierung beschlossen und fokussiert die Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Durch die Bündelung von Umweltprüfungen und Beteiligungsrechten sollen Prozesse gestrafft und doppelte Erhebungen vermieden werden. Die Notwendigkeit zusätzlicher Baufreigaben entfällt, was den Beginn von Bauvorhaben beschleunigt. Zudem wird die Digitalisierung von Verfahren vorangetrieben, indem Unterlagen elektronisch bereitgestellt werden, was den Zugang für alle Beteiligten erleichtert. Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz ermöglichen es, Landschaftsschutzgebiete in die Flächensuche für Windenergie einzubeziehen, sofern keine überwiegenden Schutzgründe entgegenstehen. Bundeseinheitliche Standards für artenschutzrechtliche Prüfungen und erleichterte Bedingungen für das Repowering bestehender Anlagen tragen dazu bei, den Ausbau der Windenergie naturverträglich und effizient zu gestalten.
Und auch die jüngsten Ausschreibungsergebnisse für Windenergieanlagen an Land zeigen eine positive Entwicklung und bieten wichtige Hinweise für potenzielle Investoren. Im November 2024 war die ausgeschriebene Menge von 4 094 Megawatt (MW) um etwa 50 % überzeichnet, da Gebote über insgesamt 6 083 MW eingereicht wurden. Der durchschnittliche, mengengewichtete Zuschlagswert lag bei 7,15 Ct/kWh – knapp unter dem festgelegten Höchstwert von 7,35 Ct/kWh. Die meisten Zuschläge entfielen auf Projekte in Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Diese Ergebnisse verdeutlichen das hohe Interesse und die Wettbewerbsintensität.
Verpachten, beteiligen, besitzen und betreiben? Im Wesentlichen gibt es drei Möglichkeiten für Sie als Flächeneigentümer, um an dem förderlichen Umfeld für Investitionen in die Windenergie zu partizipieren:
- Am einfachsten und mit vergleichsweise wenig Risiko behaftet ist die Flächenverpachtung.
- Die direkte Beteiligung an einer Projektentwicklungsgesellschaft ermöglicht es Ihnen, aktiv an der Planung und Umsetzung von Windenergieprojekten teilzunehmen und von möglichen Wertsteigerungen und Gewinnen zu profitieren. Dies erfordert jedoch ein höheres Maß an Engagement, Risikobereitschaft, Liquidität und Verständnis für die Projektentwicklung.
- Alternativ können Sie sich an Gemeinschaftsprojekten wie Bürgerwindparks oder Pools beteiligen. Dies reduziert das individuelle Risiko und ermöglicht den Zugang zu größeren Projekten.
- Bei Investitionssummen in der Größenordnung von 6 bis 10 Mio. € pro Windkraftanlage wird es eher die Ausnahme denn die Regel sein, dass Sie selbst in die Projektentwicklung, den Bau sowie Betrieb eigener Anlagen einsteigen.
Doch lohnt sich die Investition in eine Windkraftanlage wirklich? Dieser Frage wollen wir im Folgenden anhand einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nachgehen.
Daten für unser Beispiel. Technisch werden für die Windkraftanlage die Daten der Siemens STW 3.15-142 mit einer Nennleistung von 4 100 kW und einer Nabenhöhe von 165 m herangezogen. Für die Betriebsdauer werden 20 Jahre angenommen. Der Standort ist Coesfeld-Lette im Regierungsbezirk Münster.
Das zu bebauende Grundstück wird als ein Teil des grundbuchamtlich belasteten Flurstücks mit einer Netto-Inanspruchnahme von 8 000 m² für den Standort der Windkraftanlage, eingebettet in die Bruttogröße von 8 ha definiert. Die Pacht beträgt 9 900 €/Jahr. Die Laufzeit des Pachtvertrages beträgt entsprechend der Nutzungsdauer 20 Jahre.
Übersicht 1: Gewinn pro Jahr der Windenergieanlage
Daten: | |
Herstellungskosten 5 Mio. € Anlagekosten + 1,2 Mio. € Nebenkosten der Planung etc. | = 6 200 000 € |
Nennleistung 4 100 KW bei 27 % Wirkungsgrad | = 9 856 000 kWh |
Vergütung /kWh | = 0,08 € |
Vom Rohertrag* zum Gewinn | |
Rohertrag 9 856 000 kWh x 0,08 € | 788 480 € |
Kosten | |
– 5 % AfA linear | 310 000 € |
– Zinsen sind obsolet, da mit 100 % Eigenkapital finanziert wird | 0 € |
– Grundstückspacht 9 900 € | 9 900 € |
– Aufbau der Kaution (500 000 €) ü. 20 J. bei 3 % Zinsen | 33 736 € |
– sonstige Kosten (Betriebsführung, Wartung etc.) insgesamt | 155 000 € |
Kosten gesamt | 508 636 € |
Rentabilität/Gewinn vor Steuern und Zinsen | 279 844 € |
* Rohertrag (Umsatz) inkl. abgeregelter Leistung
Liquidität und Stabilität
Die Investitionssumme unserer Windkraftanlage beträgt 6,2 Mio. €. Die Hauptkostenblöcke verteilen sich wie folgt:
- 67 % Windenergieanlage,
- 8 % Fundamente und Wegebau,
- 17 % Netzanschluss und
- 8 % für Projektentwicklung und Genehmigungskosten.
Die Anlage wird dem Grunde nach mit 100 % Fremdkapital durch die Banken und die Anteile der Beteiligten finanziert. Zwangsläufig sind die 6,2 Mio. € Herstellungskosten mittels der Erträge zu verzinsen und über die Laufzeit von 20 Jahren auf null zurückzuzahlen. Demnach stellt sich die Frage: Wie hoch muss die Tilgungsquote (Zins + Tilgung) bei einem Zinssatz von 4,5 % für Kredite und die Anteile sein? Für den Kalkulationszeitraum von 20 Jahren beträgt die dafür errechnete und erforderliche Tilgungsquote 476 986 €/Jahr. Ist diese Tilgungsquote durch die Rentabilität der Windkraftanlage gedeckt? Als Finanzquelle (Liquidität) stehen für die Tilgungsquote die 5 %ige Abschreibung (AfA) mit 310 000 € und der Gewinn in Höhe von 279 844 €, also in Summe 589 844 € zur Verfügung. Kurzum: Die Finanzverpflichtungen sind gedeckt. Gewonnen wird mit der Tilgung allerdings noch nichts, denn Tilgung ist keine Eigenkapitalbildung!
Grenzkosten
In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, der Frage auf den Grund zu gehen, bei welchem Preis je kWh ist das Gleichgewicht, also der Punkt erreicht, bei dem der Ertragswert den Herstellungskosten entspricht. Die Netto-Leistung beträgt 9 856 000 kWh (Wirkungsgrad 27 % der Nennleistung) und es ergibt sich ein Gleichgewichtspreis von 0,1064 €/kWh. Das bedeutet: Bei unelastischer Netto-Wind-Leistung oberhalb des Gleichgewichtspreises von 0,1064 €/kWh kommt es zu höheren Grenzgewinnen und unterhalb des Gleichgewichtspreises zu Grenzverlusten. Grenzgewinne können eine Quelle für höhere Ausschüttungen, Zinszahlungen, Gehälter, Prämien usw. sein. Grenzverluste können nur durch höhere Verbraucherpreise kompensiert werden.
Wohin treibt ein steigender Preis den Gewinn? Bei einem höheren Einspeisepreis – unterstellen wir eine Verdopplung auf 0,15 €/kWh wie im Wirtschaftsjahr 2022/23 geschehen – erhöht sich der Gewinn unter sonst gleichen Bedingungen auf 969 744 €. Der Ertragswert steigt auf die exorbitante Höhe von 11,1 Mio. €. Das entspricht den Herstellungskosten in fast 2-facher Höhe.
Das Preisrisiko. Bezieht man die Herstellungskosten der Windkraftanlage von 6,2 Mio. € auf ihre Lebensleistung in
20 Jahren mit 9 856 000 kWh, so ergibt sich allein durch die anfänglichen Baukosten ohne Einbeziehung von Kapitalkosten ein Preis von 0,0629 €/kWh. Das entspricht in etwa dem Erzeugerpreis, der für gewöhnlich an den Strombörsen gehandelt wird. Bei einer fest vorgegebenen Nettoleistung der Windkraftanlage und einem fixierten Erzeugerpreis von 0,08 €/kWh sind die Kapitalkosten (Zins und Tilgung) und die Betriebskosten zwar gedeckt, jedoch die Rückgewinnung der Herstellungskosten noch nicht vollständig erreicht. Der dafür erforderliche Gleichgewichtspreis liegt bei 0,1064 €/kWh. Es bleibt das Risiko, dass am Ende der Betriebszeit die Rückzahlungen der anfänglich getätigten Einzahlungen nicht oder nicht vollkommen gesichert sind.
Vergütung bei negativen Strompreisen. Gemäß dem EEG 2024 entfällt der Vergütungsanspruch für Betreiber von Windkraftanlagen, wenn der Spotmarktpreis für Strom an der Börse für mindestens drei aufeinanderfolgende Stunden negativ ist. Für Bestandsanlagen, die vor dem 1. Januar 2021 in Betrieb genommen wurden oder vor diesem Datum einen Zuschlag in einer Ausschreibung erhalten haben, gilt weiterhin die frühere »6-Stunden-Regel«. Im EEG 205 ist eine Staffelung geplant, die bis 6 Stunden eine volle EEG-Vergütung vorsieht. Bei negativen Spotmarktpreisen über 6 bis 12 Stunden soll es einen Abschlag von 50 % geben und über 12 Stunden keine Vergütung.
Rentabilität
Bewertet man die angenommene Lebensleistung (kWh) der Windkraftanlage über den gesamten Zeitraum von 20 Jahren und die dafür erforderlichen Kosten ebenso, dann ergeben sich für unsere Beispielkalkulation keine wesentlichen Überschüsse über die vorab entstandenen Kosten. Sollte der vorhandene jährliche Überschuss in Höhe von 112 858 € zu Zinseszins mit 4,5 % über 20 Jahre als Rente angelegt werden, sammeln sich über die Zeit für eine mögliche Remontierung (Repowering) 2 257 160 € an. Wahlweise wäre diese Summe ein Puffer für ungewöhnliche Risiken.
Die Kapitalrentabilität (Gewinn zu Gesamtkapital ohne Boden) beträgt 4,5 %. Das ist, gemessen an den Risiken, eine geringe Verzinsung und entspricht nicht den Erwartungen, die professionelle Anleger an den Einsatz von Risikokapital haben. Wie bei allen Energiequellen üblich, muss auch bei Windkraft erst einmal viel Energie in Form von Kapital, Boden und Dienstleitungen investiert werden, bevor der Gewinn die Vorleistungen übertreffen kann.
Übersicht 2: Leistung, Kosten und Überschuss eines Windrades über die Nutzung von 20 Jahren
Lebensleistung in kWh 20 Jahre | = 197 120 000 kWh x 0,08 €/kWh | |
Rohertrag | 15 769 600 € | |
Kosten (20 Jahre) | 10 172 720 € | |
Gewinn v. Steuern | 5 596 880 € | |
Summe AfA (20 Jahre) | 6 200 000 € | |
Liquidität | 11 796 880 € | – Tilgungsraten à 476 986 €/Jahr |
Summe Tilgung | 9 539 720 € | |
Überschuss | 2 257 160 € | über den Zeitraum von 20 Jahren oder |
Überschuss pro Jahr | 112 858 € | bzw. Kapitalrentabilität von 4,5 % |
Herausforderungen
Wir können die zerstreute Kraft des Windes zwar technisch in einen anderen energetischen Zustand umwandeln, doch ob es bei diesen Umwandlungsprozessen aufgrund der geringen Energiedichte und der zusätzlichen Kosten für Stromtrassen zu wesentlichen Überschüssen kommt, hängt von folgenden Faktoren ab:
- Der Wirkungsgrad, inklusive der abgeriegelten Leistung, sollte sich mehr in Richtung Nennleistung bewegen.
- Die Herstellungskosten, die Betriebskosten und der Zinssatz sollten niedrig und die Nutzungsdauer der Windkraftanlage sollte lang, sicher und diese wenig reparaturbedürftig sein.
Sind diese technischen und wirtschaftlichen Leistungen gegeben, bleibt in einer Marktwirtschaft die alles entscheidende Frage, ob sich genügend Kapitalgeber finden. Dafür ist ihr Zinsanspruch der wesentliche Bestimmungsgrund. Wenn bei einer Vergütung von 0,08 €/kWh wie in unserem Beispiel der zu erwirtschaftende Ertrag die Herstellungskosten nicht oder nur knapp kompensiert, dann handelt es sich nicht um technischen Fortschritt.
Weitere Risiken bleiben: Wie steht es mit der Entsorgung der Technik am Ende der Laufzeit und was ist mit der Rekultivierung der Böden nach dem wirtschaftlichen Ende des Standortes? Wenn auf Dauer eine konkurrenzfähige Erzeugung von Energie zu Preisen von 0,06 €/kWh erreicht werden soll, dann sind das Münsterland und weite Teile Süddeutschlands unter den derzeit herrschenden Bedingungen keine privilegierten Windkraftstandorte.
Der Preis für Energie besitzt insbesondere für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, aber auch für die Gesellschaft eine maßgebliche Bedeutung. Hohe Energiepreise verdrängen betriebliche Produktion hin zum besseren Wirt. Oder volkswirtschaftlich ausgedrückt, es wandern ganze Wirtschaftssektoren ab. Allesamt suchen sich dann neue Standorte mit preiswerterer Energie. Der Wind weht windig, aber niemals kostenlos!