Erdkabel. Ein gewaltiger Eingriff in den Boden
Die Bundesregierung setzt beim Ausbau der Stromtrassen von Nord nach Süd verstärkt auf Erdverkabelung statt auf Freileitungen. Die Erdkabeltrasse zieht dabei eine Schneise von 50 m Breite durch den Acker. Wie sich das auf den Boden auswirkt, zeigen Hartmut Geries und Johannes Bremer.
Eigentlich ist alles schon lange geklärt: Die Stromversorgung soll vorrangig über Erdverkabelung laufen, das beschloss schon die große Koalition im Jahre 2015. Demnach sollen die für die Umsetzung der Energiewende notwendigen zusätzlichen Stromtrassen regelhaft
unter der Erde verlaufen, um den Widerstand der Anwohner gegen den Bau dieser Trassen zu überwinden und die Akzeptanz für neue Nord-Süd- und Ost-West-Kabel zu erhöhen. Problem: Die Kosten für die Erdverkabelung sind deutlich höher als die für Freileitungen. Die von Politik und Trassenbetreibern genannten Zahlen reichten in den vergangenen Jahren von doppelt so teuer über viermal so hoch bis zum achtfachen Preis. Dass es eine Rückkehr zur Freileitung gibt, ist trotzdem eher unwahrscheinlich, weil das Erdkabel den öffentlichen Widerstand gegen die sogenannten »Monster-Trassen« weitestgehend befriedet.
Landwirtschaft erheblich betroffen
Die Landwirtschaft ist vom Netzausbau erheblich betroffen. Schließlich werden die Übertragungsnetze aufgrund ihrer Dimension fast ausschließlich über land- und forstwirtschaftliche Flächen verlegt. Strom kann per Erdkabel ebenso wie bei einer Freileitung entweder als Wechselstrom oder Gleichstrom übertragen werden. Die Gleichstromtechnik (HGÜ-Verbindung) soll insbesondere auf den sogenannten
Stromautobahnen (z. B. SuedLink) Anwendung finden.
Wechselstrom-Erdkabel sind vor allem im Verteilnetz in der Nieder- und Mittelspannungsebene im Einsatz. Im Übertragungsnetz und den dazugehörenden Hochspannungsebenen sind bisher kaum Erdkabel im Einsatz. Denn: Je länger ein Wechselstrom-Erdkabel ist, desto größer ist der Anteil der nicht nutzbaren Blindleistung. Ab einer gewissen Länge sind etwa alle 15 Kilometer zusätzliche Kompensationsmaßnahmen notwendig. Sonst wäre das Kabel gewissermaßen mit Blindleistung »verstopft«. Dafür kann Wechselstrom direkt in das herkömmliche Stromnetz eingespeist werden. Außerdem lässt sich die Spannung besonders effizient ändern.
Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet hat mit der 380-kV-Wechselstromleitung Wahle-Mecklar und dem Testfeld Reinshof im Jahr 2020 ein Pilotprojekt mit einer Teilerdverkabelung auf 12,8 km im Raum Salzgitter gestartet. Sie gilt als richtungsweisend für zukünftige Erdkabelvorhaben. Die offene Grabenbauweise gleicht dem Öl- oder Gaspipelinebau. Die Dimension ist allerdings eine ganz andere. Die Erdkabeltrasse benötigt einen Arbeitsstreifen von 50 bis 60 m Breite. Die Kabelgräben haben an der Sohle noch eine Breite von ca. 11 m. Im Vergleich dazu benötigt die Gleichstromtechnik weniger Platz – die Gräben dort sind mit ca. 6 m deutlich schmaler.
Vor Beginn der Baumaßnahme wurde für das Testfeld Reinshof sowie die Trasse Wahle-Mecklar ein ausführliches Bodenschutzkonzept unter wissenschaftlicher und sachverständiger Begleitung erstellt. Sämtliche Arbeiten erfolgten unter bodenkundlicher Baubegleitung. Ständig anwesende Gutachter haben darauf geachtet, dass unter anderem die Bodenschichten getrennt gelagert und wieder eingebaut wurden, und dass nur bei geeigneter Witterung gearbeitet wurde. Jetzt liegen erste Messergebnisse zu den Auswirkungen des Trassenbaus auf das Bodengefüge und die Erwärmung der Erdkabel auf die Vegetation vor.