Keine Bühne für Ideologen!

Saatgutrecht. Manchmal wird einem erst bewusst, wie wertvoll »Selbstverständlichkeiten« sind, wenn sie auf der Kippe stehen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das Saatgut­recht. Die heutigen Strukturen im Sorten­prüfwesen und bei der Saatgutzertifi­zierung haben sich über Jahrzehnte entwickelt und bewährt. Kontinuierlich stehen den Landwirten neue, verbesserte Sorten und unabhängige Versuchsergebnisse in Form amtlicher Prüfungen zur Verfügung. Nun will die EU das Saatgut­recht grundlegend überarbeiten. Es soll harmonisiert und an die aktuellen politischen Leitlinien (Stichwort Green Deal) angepasst werden.

Dieses Vorhaben ist durchaus begrüßenswert. Denn derzeit gelten in den Mitgliedstaaten zum Teil ganz unterschiedliche Regeln. Und es ist auch sinnvoll, 60 Jahre alte Rechtsvorschriften im Lichte neuer Entwicklungen auf den Prüfstand zu stellen (siehe Seite 58). Doch verfolgt man die Diskussionen zur geplanten Novellierung, manifestiert sich der Eindruck, dass es einigen Interessengruppen weniger um gangbare Lösungsansätze für alle Beteiligten geht. Stattdessen wird die Debatte zum Teil als eine (weitere) Bühne genutzt, um ideologische Vorstellungen zu transportieren. Dabei laufen die Argumente in die Richtung »Kleinbauern gegen Agrarindustrie«, »ökologisch gegen konventionell« oder »Artenvielfalt statt Monokulturen«. Diese Instrumentalisierung des Saatgutrechts hilft bei dem eigentlichen Anliegen, nämlich die Gesetzgebung an aktuelle Herausforderungen anzupassen, nicht weiter. Hoffen wir, dass es der EU-Kommission gelingt, nötige Verbesserungen und ideologische Verzerrungen auseinanderzuhalten. Immerhin geht es um nicht weniger als eine unserer wichtigsten Produktionsgrundlagen.

Katrin Rutt