Außenklimaställe. Evolution statt Revolution

Außenklimareiz und Auslauf stehen für mehr Tiergerechtheit und die Schweinehaltung der Zukunft. Die Öffnung der Ställe bedeutet aber auch ein größeres Risiko für die Tiergesundheit. Das gilt es zu minimieren, fordert Eckhard Meyer.

Mit Außenklima- bzw. Auslaufhaltung von Schweinen Geld verdienen? Der LEH hat für die höheren Haltungsstufen zumindest eine bessere Wirtschaftlichkeit in Aussicht gestellt. Das Interesse der Schweinehalter ist groß.

Leistungsniveau halten. Um die Ansprüche von Tierwohl, Tiergesundheit und auch Arbeitswirtschaft miteinander zu verbinden, ist weniger ein Systemwechsel beim Stallbau erforderlich als vielmehr dessen konsequente Weiterentwicklung. Denn die Ställe müssen vor allem funktionieren. Das heißt, die Tiere müssen darin gute Leistungen bringen.
In der Vergangenheit hat die stetige Verbesserung der biologischen Leistungen geholfen, die gestiegenen Erzeugungskosten ein Stück weit aufzufangen. Das wird künftig nicht mehr in dem Maße möglich sein. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, gilt aber mindestens die Forderung, dass die Leistungen nicht schlechter werden dürfen. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist die Gesundheit der Tiere. Sie ist gleichermaßen das Fundament für das Tierwohl und die Wirtschaftlichkeit der Haltungsform.

Systembedingte Schwächen ausgleichen. Sowohl für konventionelle als auch  für Außenklimaställe gilt gleichermaßen, dass die Weitergabe von Tier zu Tier das weitaus größte Infektionsrisiko darstellt. Hinzu kommt, dass gerade unter dem Eindruck der Afrikanischen Schweinepest (ASP) die hygienischen Standards der konventionellen Warmställe unbedingt beibehalten werden müssen. Eine Schwarz-Weiß-Trennung und ein striktes Rein-Raus als Biosicherheitsmaßnahmen sind deshalb in jedem Stall, auch in den einfacher konzipierten Außenklimaställen, unbedingt notwendig. Nur dann ist das Risiko eines Keimeintrages durch den Tierbetreuer in den Stall bzw. der mit ihm verbundenen sogenannten »unbelebten Vektoren« (kontaminierte Gegenstände) für beide Stalltypen gleich.  
Welche systembedingten Unterschiede zwischen konventionellen und sogenannten Zukunftsställen für die Tiergesundheit relevant sein können, zeigt Übersicht 1. Damit die gewünschten Verbesserungen im Tierwohl und/oder der Tiergesundheit durch die neuen Stallsysteme auch zum Tragen kommen können, müssen ihre Schwächen ausgeglichen werden.
Der wichtigste Unterschied zwischen den Stalltypen ist die für die technische Realisierung von Außenklimareizen zwangsläufig notwendige Öffnung der Ställe. Sie erhöht das Risiko des Erregereintrages durch belebte Vektoren von außen. Ziel muss es sein, dieses Risiko so gering wie möglich zu halten – allen voran den Eintrag der ASP.

Bis zur Größe von Vögeln kein Pardon. Die einzelnen Vektoren sind umso gefährlicher, je größer und je physiologisch ähnlicher sie unseren Hausschweinen sind. Das ist das Ergebnis einer umfangreichen Auswertung der wissenschaftlichen Literatur. Reduziert man die Aussagen auf einen roten Faden, der alles miteinander verbindet, ergibt sich die folgende Risikokaskade: Wildschweine, Vögel, Schadnager, Fliegen, Wind. Somit gibt es für die Abwehr belebter Vektoren bis zur Größe der Vögel keine Kompromisse bei Außenklima- bzw. Auslaufställen! Um Infektionen zu verhindern, sind doppelte Zäune, Überdachungen, aber auch Windbrechnetze gesetzt. Die Schadnager-Bekämpfung muss darüber hinaus in allen Stalltypen den gleichen Stellenwert haben.

Nachteile für die Tiergesundheit aufgrund der Struktur von Außenklimaställen. Hausschweine erkranken am weitaus häufigsten durch den direkten Kontakt untereinander, also die Erregerweitergabe von Tier zu Tier. Dabei ist auch der strukturelle Aufbau der Stallalternativen als möglicher Risikofaktor zu sehen. Diesem Problem sollte in der weiteren Entwicklung von neuen Stallsystemen mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Tiergruppen mit unterschiedlicher Anfälligkeit für bestimmte Erkrankungen müssen getrennt gehalten werden. Das setzt aber voraus, dass Außenklimaställe perspektivisch keine Großraumställe mit kontinuierlicher Belegung sein dürfen. Bezogen auf die herkömmlichen Bautypen zumindest in großen Betrieben bedeutet das, dass für jede einzelne Altersgruppe ein Stallgebäude vorgesehen werden sollte. Zudem dürfen Krankheitserreger nicht über die Entmistung verteilt werden. Deshalb ist es sinnvoll, die Mistachse über die Längsachse der Bucht zu legen und nicht wie bei der »althergebrachten« dänischen Aufstallung über Buchten hinweg zu entmisten.  
Für die Gesundheit ganz wesentlich ist, dass ein Außenklimareiz für die Tiere keine Zugluft oder Kälte (ohne Rückzugsmöglichkeiten) bedeutet. Für die optimale Funktion des Außenklimastalles spielt sein Standort und seine Ausrichtung eine viel größere Rolle als beim klassischen Warmstall. Ausläufe sollten nicht in einem Starkwindbereich liegen. Um das Abwehrsystem der Schweine nicht zu überfordern, sind Windbrechvorrichtungen aus den genannten Gründen unumgänglich.

Kernproblem: Annahme von Funktionsbereichen. Positiv ist, dass Zwei-Klimazonen-Ställe bessere Voraussetzungen für die Annahme von Kot- und Liegebereich bieten, denn das ernüchternde Ergebnis vieler aufwendiger Versuche, das Tierverhalten zu steuern, ist: Erst ein Temperaturunterschied von 5 °C im Stallsystem bietet die relative Sicherheit, dass die Kotstelle am kühlsten Punkt angelegt wird. Das ist unter Warmstallbedingungen eigentlich nicht möglich, was den Siegeszug der Vollspaltenböden erklärt. Aber auch in Zwei-Klima-Ställen gilt: Festflächen bzw. eingestreute Flächen sind nur so tiergerecht wie das Einstreumanagement und die Entmistung. Hier hängt die Liegeflächenakzeptanz außer von der Temperaturdifferenz auch von der Fußbodentemperatur, der Lichtintensität sowie vom Platzangebot im Liegebereich (sollte eher gering sein) ab.
Außerdem sind Schweine »Hart-Lieger«, sie brauchen keine weiche Unterlage. Erst bei optimalen Temperaturbedingungen wählen sie Fußböden mit reduziertem Schlitzanteil und optimal verteilten Schlitzen. Die Vielzahl der Versuche, Tierverhalten unter Warmstallbedingungen zu lenken, lässt sich auf die einfache Formel reduzieren: Temperaturkomfort ist dem Schwein wichtiger als Liegekomfort.  
Mehr noch als im konventionellen Stall hat die Fütterungs- und Tränketechnik im Offenstall die Funktion, den Tierverkehr zu lenken und so die Annahme der Funktionsbereiche zu unterstützen. Fütterungs- und Tränketechnik müssen größere Temperaturschwankungen tolerieren, ohne zu verkeimen. Bewährt hat sich in Außen­klima- oder Auslaufställen eine Trockenfütterung. Sie unterstützt auch in konventionellen Ställen ein gesünderes Futteraufnahmeverhalten und beschäftigt länger.

Schadgase und Verletzungsgefahren. Die Belastung durch Schadgase aus dem Güllekanal selber wurde bislang eher unterschätzt. So remittiert ein nur zu 50 % abgedeckter Kanal noch mehr Schadgase als ein verschmutzter Ökospaltenboden  mit 10 % Schlitzanteil (Übersicht 2). Die Daten zeigen aber auch, dass hohe Schadgaskonzentrationen und Keimgehalte in der Umgebungsluft sich nur vermeiden lassen, wenn Liegeflächen als solche angenommen und nicht verkotet werden. Spaltenböden trennen die Schweine von ihren Exkrementen. Jede Form von Tiefstreu sowie verkotete Festflächen sind ein absoluter Risikofaktor für Magen- Darm-Erkrankungen, die »Berufskrankheit der Schweine«. Das gilt es vor dem Hintergrund der weiten Verbreitung der Ileitis oder PIA umso mehr zu berücksichtigen. Bei einem Umbau sollten daher nicht ohne Not alle Spaltenböden durch Festflächen ersetzt werden.
Die Spaltenböden der Warmställe bergen ein Verletzungsrisiko. Das ist nach aktueller Einschätzung aber geringer als zum Beispiel höher und tiefer gelegte Bereiche oder Engstellen an Durchgängen der sogenannten Zukunftsställe. Hier gibt es im Stallbau/-umbau noch Entwicklungsbedarf. Generell müssen – auch wegen der zu erwartenden Zunahmen an Fundamentverletzungen – unbedingt ausreichend Kranken- bzw. Reservebuchten vorgehalten werden.

Staubbelastung gering halten. Bei den für den Stallbau verwendeten Materialien ist bei offenen Ställen besonders auf die hygienischen Eigenschaften zu achten. Verwendet werden sollten glatte, beständige Materialien wie Betonfertigteile. In direkter Erreichbarkeit der Tiere überzeugt Holz als Baumaterial nur vor der ersten Belegung.
Bei verstärktem Einsatz von Stroh kommt es zu einer höheren Staubbelastung – das gilt für alle Stalltypen. Staub ist ein Risikofaktor in Bezug auf die Übertragung von Krankheitserregern, aber auch in Bezug auf Atemwegserkrankungen. Gesunde Tiere kommen mit einer gewissen Staubbelastung in der Stallluft zurecht, anfällige Tiere werden durch den Staub krank. Versuche in konventioneller Warmstallhaltung, bei denen die Umluft ständig vom Stallstaub gereinigt wurde, haben zu einer hochsignifikanten Verbesserung der Lungengesundheit von Mastschweinen geführt. Die luftgetragenen Keime sind, anders als in der Literatur beschrieben, nicht »air­borne«, sie nutzen den Staub als Träger und sind sozusagen »dustborne«.
Ein ähnlich entlastender Effekt kann möglicherweise auch über das Versprühen von Aerosolen erreicht werden. In den Zukunftsställen wird zwar mehr Luft ausgetauscht, dafür aber auch mehr eingestreut. Eine technische Entstaubung des Strohs ist deshalb kein Luxus. Sie wird umso wichtiger, je kürzer das Stroh sein muss, damit auch eine automatische Einbringung in den Stall möglich ist. Staub im Stroh ist aber auch und vor allem eine Frage der Technik der Strohbergung.

Festzuhalten bleibt, dass eine gesellschaftlich akzeptierte Schweinehaltung künftig in erster Linie Außenklima- und/oder Auslaufställe bedeutet. Gleichzeitig soll die von der Stallhaltung ausgehende Umweltbelastung reduziert werden, und es darf das wichtigste Fundament für eine wirtschaftliche Schweinehaltung, die Gesundheit hochleistender Bestände, nicht gefährdet werden. Das Ganze setzt pragmatische Kompromisse im Stallbau voraus, die sich an dem Standard für Hygiene und Arbeitswirtschaft der über viele Jahre entwickelten Warmställe zumindest orientieren müssen. Dafür ist noch weitere Entwicklungsarbeit notwendig. Diese kann nur geleistet werden, wenn die allseits gewünschten Ställe genehmigt, gebaut und auch bezahlt werden können. Um die dafür vorliegenden Konzepte für den Um- oder Neubau umsetzen zu können, braucht es zunächst noch verbindliche Definitionen für den geforderten Außenklimareiz.

Fazit. Einfach »zurück in die Zukunft« würde eine Wiederkehr der Probleme der Vergangenheit bedeuten. Sollen überholt geglaubte Systemkomponenten wieder Eingang in den Stallbau finden, dann müssen sie unbedingt weiterentwickelt werden. Deshalb ist eine Evolution im Stallbau aussichtsreicher als eine Revolution! Es gilt, die Vorteile bewährter Stallsysteme in die Zukunft zu übertragen.
 
Dr. Eckhard Meyer, LfULG Sachsen, Köllitsch

Aus DLG-Mitteilungen 7/22. Den Beitrag als pdf-Datei finden Sie hier.