Farm-to-Fork und die Folgen
50 % weniger Pflanzenschutzmittel (bezogen auf Risiko und Menge). 50 % weniger Nährstoffverluste (vor allem Stickstoff). Steigerung des Flächenanteils mit hoher Biodiversität von heute 4,7 % auf 10 % und der ökologisch bewirtschafteten Fläche von heute 8 % auf 25 %. Weniger Treibhausgase aus der Landwirtschaft (ohne spezifisches Ziel). Das sind die Kernpunkte der europäischen Farm-to-fork-Strategie (F2F). Sie sorgen unter Landwirten immer noch für Aufregung und Unsicherheit. Weil erstens (vor allem beim Pflanzenschutz) die Bezugspunkte und Messgrößen fehlen, zweitens nicht klar ist, wie sich die Ziele erreichen lassen, und drittens bisher die Folgen für die Produktion nicht thematisiert wurden.
Ist alles halb so schlimm? Der wissenschaftliche Dienst der EU-Kommission (JRC) hat eine Studie vorgelegt, die wohl zur Beruhigung beitragen soll. Im Ackerbau führen die F2F-Ziele laut JRC zu 11 % weniger Produktion aus Ertragsverlusten (vor allem durch weniger Pflanzenschutz) und 4 % durch weniger Fläche. Daraus entsteht ein Preisplus für die Erzeuger von 7 % bei Getreide und 11 % bei Ölsaaten. Auf noch etwas mehr Produktionsrückgang und etwas höhere Preiseffekte kamen jüngst Simulationen an der Universität Kiel, die mit demselben Modell gerechnet worden waren.
Aber stimmen die Annahmen und demzufolge die Schlussfolgerungen? Daran hat Yelto Zimmer von agribenchmark erhebliche Zweifel. Vor allem der in beiden Studien unterstellte Ertragsverlust von 10 % durch die Halbierung des Pflanzenschutzes sei sehr optimistisch. Vielleicht funktioniert das bei spät gesätem Weizen, der weniger Herbizide und Fungizide braucht. Aber bei anderen Kulturen, von Raps und Rüben über die Kartoffeln bis zu Gemüse, könnten die Ertragsverluste deutlich größer sein. Einige Kulturen würden zudem nicht mehr angebaut.
Das gilt für eine Halbierung der Menge von Pflanzenschutzmitteln. In der politischen Diskussion (auch in der JRC-Studie) wird aber vorwiegend auf den sogenannten »Harmonized Risk Indicator« (HRI) abgehoben – und nicht auf einen, der die tatsächlichen Risiken für Mensch und Umwelt erfasst. Allein ein EU-weites Glyphosat-Verbot würde den HRI um gut 40 % reduzieren. Somit wäre das F2F-Ziel fast erfüllt.
Weniger N-Überschuss gleich weniger Tierhaltung? Beim Stickstoff geht das JRC davon aus, dass Überschüsse reduziert werden und sich somit am Ertragsniveau im Ackerbau nichts ändert. Demgegenüber kommt die Kieler Studie zu dem Schluss, dass es infolge der Einschränkung der Düngung zu erheblichen Produktionsrückgängen kommt. Für sie ist die Reduzierung der Nährstoffverluste der Schlüsselfaktor vor allen anderen.
Für die Tierproduktion errechnen beide Modelle Produktionsrückgänge: beim JRC z. B. um 14 % für Rindfleisch, Schweine, Geflügel bzw. 10 % für Milch. Statt durch einen Export von Gülle werden dabei die Nährstoff-Überschüsse durch den Abbau der Tierhaltung reduziert. Da gleichzeitig unterstellt wird, dass diese Produktionsrückgänge nicht durch höhere Importe kompensiert werden, ergeben sich massive Preissteigerungen. Zimmer hält diese Annahme für »komplett unplausibel«: Die Weltagrarwirtschaft würde sicherlich mehr Fleisch in die EU exportieren.
Beide Studien erwarten einen Rückgang der Treibhausgas-Emissionen – zwischen 20 und knapp 30 %. Auch dieser Fortschritt würde vor allem vor dem Hintergrund von erheblichen Produktionsrückgängen in der EU erzielt werden.
Fazit. Das Thema hat viele Facetten. Für Yelto Zimmer sind beide Studien unbefriedigend: »Realistische Prognosen erhält man nur, wenn man regionalspezifische Fallstudien zu den Reaktionen der Landwirte mit der Modellierung kombiniert.«
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