Biodiversität: Die im Boden sieht man nicht

Biodiversität, das sind Honigbienen, bunte Blühstreifen und möglichst wenig chemischer Pflanzenschutz. So einfach stellt sich nicht nur der kleine Fritz, sondern auch die Politik die Welt vor.

Die Zusammenhänge sind jedoch etwas komplizierter. Man weiß schon länger, welch große Rolle die »Saumstrukturen« für die oberirdische Biodiversität spielen. Was sich aber unter der Oberfläche abspielt, ist wesentlich weniger erforscht. Dem kommt eine Arbeit unter Regie der Frankfurter Senckenberg-Gesellschaft näher, die jüngst in »nature communications« erschienen ist. An 15 Grasland-Standorten in Mitteleuropa wurde von 59 (!) Wissenschaftlern der Einfluss von Landschaftsstruktur und Bewirtschaftung auf 4 000 ober- und unterirdische Arten untersucht. Das Ergebnis: Sowohl ober- als auch unterirdisch ist die Landschaftsstruktur mehr als die Bewirtschaftungsintensität für Unterschiede verantwortlich.
Mit einer höheren Intensität auf Schlag-ebene (also häufiges Mähen, intensive Beweidung mit hohem Düngungsniveau) verminderte sich oberirdisch die Artenvielfalt in sieben von zehn Gruppen. Im Boden allerdings zeigte sich ein neutraler bis positiver Effekt. Diese Organismen fühlen sich z. B. durch organische Düngung eher angeregt.
Von den die Schläge umgebenden Strukturen (untersucht wurden Abstände von 500 m und 2 km) sind nicht nur (und erwartungsgemäß) die oberirdischen Arten betroffen, sondern auch (überraschenderweise) die im Boden. Offenbar bieten nicht bewirtschaftete Flächen Rückzugsräume (Habitate) auch für sie. Besonderen Einfluss haben hier Wälder.

Die Konsequenzen dieser Arbeit könnten (nein: müssten!) weitreichend sein. Denn von der oberirdischen Biodiversität lässt sich nicht auf die im Boden schließen. Die üblichen Agrarumweltprogramme fokussieren auf die »bunten Blumen«. Aber im Agrar-Ökosystem spielen die Bodenorganismen eine mindestens ebenso große Rolle. Nach den Ergebnissen dieser Arbeit müsste man, wenn man sie fördern will, die Grünlandflächen eher intensiver bewirtschaften, aber Umbruch vermeiden und angrenzende Wälder schützen. Man weiß noch sehr wenig über die Vorgänge im Boden, aber die Kernbotschaft hat sich nicht geändert: möglichst viele und vielfältige Rückzugsräume innerhalb der Agrarlandschaft schaffen – für die Arten oberhalb und unterhalb der Bodenoberfläche. Die Bewirtschaftung der Fläche selbst ist dagegen eher nachrangig. Den großen Streit um das Insektenschutzgesetz hätte man sich auch sparen können.

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