
Portrait. Minimaler Eingriff, maximaler Erfolg
Wer nach boden- und wasserschonenden Anbauverfahren sucht, wird in der Agrargenossenschaft Grünlichtenberg fündig. Dabei wird alles andere als standardmäßig geackert.
Viel Fläche, ein schwieriger Boden und die Ausbringung von Gülle sind nicht gerade die besten Voraussetzungen für eine bodenschonende Bewirtschaftung. Dennoch werden in der Agrargenossenschaft Grünlichtenberg große Anstrengungen unternommen, um genau das zu schaffen. Was dazu nötig ist? »Viel Enthusiasmus, gute Ideen, ein starkes Team und vor allem Durchhaltevermögen«, sagt Marcus Glitz, Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft.
So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Diese Vorgehensweise zieht sich durch die komplette Ackerbaustrategie des Betriebes. Die Bestellung von Raps, Getreide, Zwischenfrüchten und Mais erfolgt inzwischen im Strip-Till-Verfahren. Bei Raps, Zwischenfrüchten und Mais werden dabei mit einem zwillingsbereiften Holmer-Selbstfahrer gleichzeitig auch Gärreste ausgebracht. Das spart Überfahrten und erlaubt die Ausbringung der organischen Dünger bei optimalen Bodenbedingungen zur Aussaat. Für die Streifensaat ist allerdings keine Maschine »von der Stange« im Einsatz. Denn das würde auf den Böden rund um Grünlichtenberg im Landkreis Mittelsachsen nicht funktionieren. »Der schwere gelbe Lösslehm verschlämmt extrem stark und zementiert vollkommen aus. Wenn man diesen Boden mit einer Kreiselegge bearbeitet, findet man im Juni eine Betonplatte vor«, erklärt Glitz. Weil Standardgeräte zur Streifenbearbeitung in der Regel nur auf sandigen, schüttfähigen Böden gut funktionieren, hat sich der Agraringenieur viele Gedanken zur Optimierung der Technik gemacht. Das Resultat ist eine Bestellkombination, die im Eigenbau entstanden ist und die es in der Form auf keinem anderen Betrieb in Deutschland gibt. Dafür wurde eine Horsch Focus TD mit 35er-Reihenabstand umgerüstet auf Schartechnik des britischen Herstellers Mzuri. Die tonigen Böden und das feuchte Klima im Westen Englands erfordern spezielle Werkzeuge für die Bearbeitung. Damit wurden sie quasi für den »Härtefall« entwickelt. Die Hartmetall-Lockerungszinken, die den gewellten Schneidscheiben folgen, sind sehr schmal, wodurch der Boden nur minimal geöffnet wird. Die Saatgutablage übernimmt ein Deltaschar und die Rückverfestigung ein Reifenpacker. Dieses Konzept macht das Verfahren auch für schwere Tonböden möglich.
Für die Einzelkornsaat des Maises wurde die Bestellkombination etwas modifiziert. Die Ablage der Körner übernimmt hier im Deltaverfahren rechts und links von der Gülle eine 8-reihige Lemken Azurit.
Auffallend ist das Dammprofil, das dieses Bestellverfahren hinterlässt. »In den Dämmen befindet sich die ganze Organik und auch sehr viele Kluten aus dem Saatbett. Dadurch verschlämmen sie nicht. Und wir haben immer einen guten Gasaustausch auf der Fläche. Mit einem normalen Drillverfahren ist das nicht immer der Fall – schon gar nicht, wenn die Bedingungen suboptimal sind«, so der Landwirt. Zudem sind die Dämme im Mai bereits zweimal von Regenwürmern »durchgekaut«. Die oberste Bodenschicht sieht dann aus wie ein Schwamm.


Es ist aber nicht nur die bessere Bodengare, die das Verfahren so attraktiv macht. Auch die Ausnutzung der wertvollen Wasservorräte ist deutlich effizienter. Grundsätzlich ist die Niederschlagsmenge mit 650 mm im langjährigen Schnitt im Erzgebirgsvorland höher als in anderen Regionen der Republik. Allerdings sind in den vergangenen Jahren zum Teil nur noch 450 mm gefallen. Und immer häufiger tritt eine ausgeprägte Sommertrockenheit auf, die den Kulturen zu schaffen macht. »Mit dem Strip-Till-Verfahren wird das Saatgut in den ungestörten, natürlich gewachsenen Boden gelegt, wodurch es einen ausreichenden kapillaren Wasseranschluss hat.« In den Dämmen wiederum sorgt die angehäufte organische Masse (Stroh, Zwischenfruchtreste) dafür, dass der Boden nicht austrocknet. Gleichzeitig reduzieren die Dämme das Erosionsrisiko deutlich, was ein weiterer wichtiger Pluspunkt für das Verfahren ist. Denn durch das hügelige Gelände neigen die Flächen bei stärkeren Niederschlägen zu Erosion.
Ein weiterer positiver Effekt ist die Unterdrückung von Unkräutern. »Das gesammelte Stroh in den Dämmen setzt offenbar organische Säuren frei, die die Keimung von Unkräutern, Ungräsern und Ausfallgetreide stören«, meint Glitz.
Was die sonstige Unkrautbekämpfung angeht, setzen die Grünlichtenberger vorrangig auf eine ultraflache Bodenbearbeitung. Dafür kommt eine 12 m breite Kelly-Kettenscheibenegge zum Einsatz. Diese schneidet bei einer Arbeitstiefe von 3 bis 4 cm Unkräuter und Ausfallgetreide ganzflächig flach ab. Anders als bei klassischen Scheibeneggen stehen die Scheiben in einem 45 °-Winkel in Fahrtrichtung. Die Scheibenkette lässt sich hydraulisch in der Spannung verstellen und passt sich sehr gut dem Boden an. »Diese Arbeitsweise passt hervorragend zu unserer Streifensaat«, sagt Glitz. Denn wenn die Stoppeln zu tief bearbeitet werden, funktioniert die Strip-Till-Maschine nicht mehr, weil sie dann anfängt zu schieben. »Außerdem müssen wir uns natürlich auch damit auseinandersetzen, wie wir im Fall der Fälle künftig ohne Glyphosat auskommen können. Die Kettenegge bietet diesbezüglich in meinen Augen das größte Potential – auch wenn bei einem Wegfall von Glyphosat mehr Überfahrten als heute erforderlich sein werden«, so der Landwirt. Dennoch hofft er, dass das Herbizid auch in Zukunft zumindest auf erosionsgefährdeten Standorten und für Direktsaatverfahren eingesetzt werden darf. »Denn grundsätzlich ist jeder Bodeneingriff ungesund und vergeudet wertvolles Wasser.«
Die Kettenegge eignet sich aber auch sehr gut für die Bekämpfung des Maiszünslers. »Ein Mulcher ist für einen Betrieb unserer Größenordnung aus Kostensicht im Grunde nicht darstellbar. Mit der Kettenegge fahren wir nach der Ernte einmal mit 10 bis 15 km/h drüber und zerstören damit die Stoppeln bis in die Kronenwurzeln hinein. Das bietet einen guten Schutz vor dem Zünsler«, berichtet Glitz.
Als zweites Gerät zur Stoppelbearbeitung kommt ein Strohstriegel zum Einsatz. Auch dieser wurde in der hofeigenen Werkstatt auf Basis eines 18 m-Köckerling-Striegels mit speziellen Zinken ausgestattet.


Ein wichtiges Standbein des Betriebes ist seit vielen Jahren der Kartoffelbau. Dieser erfordert naturgemäß einen intensiven Eingriff in den Boden. Doch auch hier wird seit 2015 auf den Pflug verzichtet und die Knollen stattdessen im All-in-One-Verfahren gelegt. Eine Kombimaschine erledigt das Lockern, Legen, Fräsen, Dammformen und eine Depotdüngung in einem Arbeitsgang. Selbst entwickelte Querdammhäufler verhindern das Abfließen von Wasser. »Dieses Vorgehen spart viel Wasser«, sagt Glitz. »So konnten wir selbst in Trockenjahren ohne Beregnung über 40 t/ha Speisekartoffeln ernten, während andere Betriebe in unserer Region bei 25 bis 30 t/ha lagen.« Auch hier haben somit die Bestrebungen nach einem geringeren Aufwand und höheren Erträgen Früchte getragen.
Trotzdem ist Marcus Glitz noch nicht zufrieden. »Leider können wir auch mit diesem Verfahren nicht verhindern, dass das Bodenleben, was wir ansonsten so intensiv fördern, massiv gestört wird. Wenn die Dämme fertig sind, findet man darin nur noch tote Würmer«, berichtet er. Da sich anders aber keine Kartoffeln anbauen lassen, sucht er gemeinsam mit Beratern und dem Hersteller der All-in-One-Maschine nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten wie z. B. den Austausch der Fräse durch eine Kreiselegge.
Die Ernte der Kartoffeln übernimmt ein Grimme-Selbstfahrer mit großvolumigen, bodenschonenden Reifen. Das Gros der anderen betriebseigenen Zugmaschinen sowie die Mähdrescher sind mit Raupenlaufwerken ausgestattet, um den Bodendruck der teils großen, schweren Maschinen zu minimieren.
Feste Fahrspuren. Befahren werden die Flächen – soweit es möglich ist – immer auf denselben Fahrgassen. Dafür müssen die Arbeitsbreiten und Spurweiten aller Maschinen aufeinander abgestimmt sein. Die Sätechnik läuft auf 6 m Arbeitsbreite, der Kartoffelanbau auf 3 m, Pflanzenschutzspritze und Düngerstreuer auf 36 m und der Mähdrescher auf 12 m. Bei Neuanschaffungen achtet Glitz darauf, dass sie in dieses Raster passen. Für das exakte Lenken sorgt ein RTK-System, das auch die Basis für die Streifensaat ist. Komplett »durchhalten« lässt sich das CTF-System allerdings nicht. »Spätestens bei der Silomaisernte müssen wir Kompromisse eingehen«, so Glitz.

Versuch und Irrtum. Die Liebe zu Landwirtschaft und Technik sowie der Mut, auch mal vom »Schema F« abzuweichen, scheinen dem gebürtigen Westfalen in die Wiege gelegt worden zu sein. Auch sein Zwillingsbruder Thinus ackert auf dem Familienbetrieb in Bad Driburg in vielen Bereichen jenseits des Mainstreams. »Glücklicherweise habe ich tolle Kollegen, die mir den Rücken stärken und die sich nicht davor scheuen, auch unkonventionelle Ideen umzusetzen«, betont Marcus Glitz. Denn bei aller Euphorie läuft natürlich auch nicht immer alles so, wie man sich das vorstellt. Dennoch wird er auch in Zukunft weiter daran tüfteln, den Ackerbau noch effizienter und bodenschonender, aber auch umweltfreundlicher zu gestalten. Aktuell gehen beispielsweise die Bestrebungen dahin, noch mehr Gülle als bisher ins Frühjahr zu ziehen. Dafür wurde sie in diesem Jahr zum ersten Mal verschlaucht, »weil die Nährstoffeffizienz höher und der Bodendruck minimal ist.« »Dieses Verfahren passt wunderbar zur Streifensaat, weil der Gülleschlauch über die Dämme rutscht und dadurch die Saat nicht beschädigt.« Schön, wenn sich eins zum anderen fügt. Ein guter Ansporn, um weitere Pläne zu schmieden.
Immer auf der richtigen Spur
Fahrspurplanung. Es gibt nur wenige Schläge in der Landwirtschaft, die rechteckig oder quadratisch sind. Vielmehr weisen die meisten Fel-
der komplexe Strukturen auf. Das Gros der Landwirte überfährt seine Flächen nach Erfahrung und Bauchgefühl. Neue, intelligente Fahrspurplanungssysteme können dabei helfen, die Befahrung der Felder effizienter zu gestalten. Das funktioniert auch, wenn Sie noch kein automatisches Lenksystem nutzen. Satellitengestützt lassen sich damit die Routen optimieren. Basierend auf Maschinenparametern wie Arbeitsbreite und Wenderadius in Kombination mit Informationen zur Feldgeometrie werden mögliche Fahrspur-Strategien vorgeschlagen. Das spart Arbeitszeit, schont den Boden und senkt den Dieselverbrauch. Derartige Fahrspurmanagementsysteme sind inzwischen bei verschiedenen Softwareanbietern erhältlich.– ru –
Katrin Rutt
Aus Sonderbeilage "Bewirtschaftung. Wieviel Verkehr verträgt Ihr Boden?"